Von der "Haschhöhle" zum Jugendzentrum - Eine unvollständige Chronik des Fla-Fla (2) |
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2.
Das zweite Fla-Fla
Und damit begannen die Schwierigkeiten mit den Behörden: Die Jugendgruppe sollte erst einmal einen Verein gründen, und so eine Vereinsgründung ist gar nicht so einfach für Jugendliche, die sich mit dem juristischen Behördendeutsch nicht auskennen. Einige Erwachsene halfen, und Mitte 1972 wurde der Verein ,,Das Haus" beim Amtsgericht eingetragen. Zu dieser Zeit waren die Verhandlungen des Vereins mit den Behörden der Stadt schon soweit, dass die Stadt drei Räume in der Kreishausstraße in Herford zur Verfügung stellen wollte.
Norbert Hartmann: "Das war ein ehemaliges Kaffeegeschäft. Es waren sehr kleine Räumlichkeiten, im Grunde war es ein abbruchreifes Gebäude." Jetzt begann für die Jugendlichen wieder die Arbeit - die Räume mussten ausgestaltet werden und die Öffentlichkeit informiert werden, was denn nun hier passieren sollte. Damals, im Juli 1972, schrieb der Verein: "WIR SIND EINE GRUPPE JUNGER LEUTE, die nicht mehr nur auf der Straße, in der Diskothek, in der Kneipe oder bei irgendjemandem zuhause zusammentreffen will. WIR MEINEN,
daß eine Möglichkeit für Jugendliche geschaffen werden
muß, wo sie sich NACH EINIGEN MÜHEN gelang es uns - besonders durch das Entgegenkommen einiger Herren der Stadt - von der Stadt HERFORD als inzwischen eingetragener Verein drei Räume anmieten zu können. WIR HABEN EIN ZIEL: Hier soll der Versuch junger Menschen unternommen werden, einen Traum auch der Älteren im Kleinen zu probieren: SELBSTBESTIMMUNG! (...) WIR wissen auch nicht, warum unsere Eltern Angst vor uns - ihren Kindern - haben, wenn wir uns betätigen wollen, wenn wir anfangen, mit uns zu experimentieren - ohne die alten eingefahrenen und für uns oft so enttäuschenden Verhaltensmuster zu übernehmen. Ist es nur ihre Angst vor dem, was sie Chaos nennen? Dann ist es mit ihrem Vertrauen in die Zukunft wahrlich nicht weit her! Oder: Glauben sie tatsächlich, daß wir noch zu jung seien, ,,um auf eigenen Füßen zu stehen"? Warum schicken sie uns dann in eine Farce, die Bundeswehr heißt, um sich verteidigt zu wissen? Vielleicht ist es aber immer noch - besonders in Deutschland - das schlechte Gewissen den Kindern gegenüber: Zwar alles, was sie vorher zerstört haben, gründlich und reichlicher wieder aufgebaut zu haben, dabei Auschwitz und Buchenwald und Dachau doch nicht ganz vergessen zu können. WIR haben - das trauen wir uns in ganz besonderem Maße zu - den Mut, die Kraft und auch die Hoffnung, etwas verändern zu können, diese Gesellschaft zu einer menschlicheren Form des Zusammenlebens zu bringen. Wir haben vieles aus dem gelernt, was die (ältere) Generation nicht recht begreifen konnte - sei es, daß es zu neu war, sei es, daß sie anderweitig zu beschäftigt war - so zum Beispiel die von Sigmund Freud begründete Psychoanalyse. Wir wissen, auch aus unseren eigenen, wenigen Erfahrungen, wie sehr der Mensch - und insbesondere der junge Mensch - von seiner Umwelt abhängig ist, von dem Spielraum, den die Umwelt ihm zum sozialen Lernen einräumt. Wir wissen, wie sehr die eigene Erfahrung mit anderen Menschen, die kollegiale Zusammenarbeit hilft, eine Persönlichkeit heranzubilden, die ausgeglichener dieses - ihr Leben - lebt. Wir wissen auch, daß andersherum die Verhältnisse, in denen wir leben, uns oft bedrängen, uns in Ketten zu legen versuchen, uns die Flügel stutzen wollen; daß ebendiese Verhältnisse verändert werden müssen. Wie das möglich ist, das wollen wir lernen, lernen im Wissen, eine demokratische, freiheitliche und friedliche Welt schaffen zu können." Die Schwierigkeiten blieben - vor allem die, die von außen kamen. Die den Jugendlichen zur Verfügung gestellten Räume lagen in einer guten Herforder Wohngegend, und sie waren zu klein für die vielen Jugendlichen, die hier schon nach kurzer Zeit ihre Freizeit gestalten wollten. Kürzer gesagt: die Anwohner beschwerten sich! In einem Brief der Stadt hieß es: ,,Durch die Einrichtung der Clubräume wird befürchtet, daß 1. auch bei Rücksichtnahme
der Clubmitglieder in den Abendstunden durch deren An- und Abfahrten
zusätzlicher Verkehrslärm auftreten wird, Diese Punkte wurden nach Eröffnen der Clubräume durch weitere Beschwerden erweitert und auch erhärtet dem Jugendamt vorgetragen: "1. Der Krach,
den die Musikinstrumente verursachen, ist zu laut. Wir fordern deshalb in aller Entschiedenheit, den ,,Jugendclub" Kreishausstraße 22 zu schließen. Diese Maßnahme muß in Anbetracht der geschilderten und verbürgten Vorgänge umgehend erfolgen." Norbert Hartmann: " Da hatte sich eine Nachbarschaftsinitiative gegen uns gegründet. Anfang der siebziger Jahre waren wir natürlich die Exoten." Der Verein lehnte einige der Beschwerdepunkte ab und schrieb in einer Antwort an die Stadt: ,Seit sechs Wochen benutzen wir die Räume in der Wittekindstraße. Wir haben gesehen, daß sehr viele Jugendliche diese Räume besuchen. Um in eine aktive Arbeit einzusteigen, müssen sich notwendigerweise diese Jugendlichen untereinander verständigen. Dazu bedarf es einer gewissen Anlaufzeit. Schon jetzt aber können wir sagen, daß in diesen Räumen das Modell eines selbstorganisierten Jugendclubs sehr positiv verläuft; nicht nur aus dem Grunde, daß die Räume schon zu klein und zu wenige sind. In dieser Woche laufen die ersten Arbeitsgruppen an. Sorgen macht uns vor allen Dingen die Beschaffenheit der Räume: Die Fenster müssen in erheblichem Maße abgedichtet werden, Ventilatoren werden dringendst benötigt. Wir sind jedoch auch der Meinung, daß uns von einigen Seiten nicht das geringste Maß an Toleranz entgegengebracht wird; ohne daß unsere inhaltliche Arbeit verstanden wird, wird unserer Meinung nach regelrecht danach gesucht, uns formale Mängel (die sich sicherlich abstellen lassen, wenn man darüber redet) vorwerfen zu können. (so wird gefilmt, fotografiert und beobachtet) Wir würden es sehr begrüßen, wenn ein klärendes Gespräch mit Vertretern der Stadt zustande käme." Aber auch die inneren Schwierigkeiten hatten zugenommen. Es gab Schlägereien. Und das kann zu einer Hauptschwierigkeit beim Aufbau selbstverwalteter Jugendzentren werden. Durch seinen offenen Charakter ohne festen "Wirt" lud das Fla-Fla auch viele Besucher ein, die mit diesem Freiraum nicht richtig umgehen konnten. Da die Getränke (auch alkoholische) nahezu zum Selbstkostenpreis verkauft wurden, konnte sich mancher schnell und billig einen Rausch antrinken - und das endete dann häufig in Auseinandersetzungen. Die Jugendlichen gaben sich Mühe, den Nachbarn entgegen zu kommen. In einem Protokoll der Vollversammlung vom 15. August 1972 heißt es: "Es sind eine ganze Menge Probleme aufgetaucht, vor allem mit den Nachbarn. Das liegt sicherlich nicht nur daran, daß unsere Nachbarn irgendwelche Vorurteile gegen uns haben (Langhaarige usw.), sondern daß auch einige von uns sich so benommen haben, daß die Nachbarn einfach ausflippen mußten. (..) Es wurden Verantwortliche gewählt, die die Räume schließen und öffnen. (...) Um jetzt wirklich leise sein zu können, müssen wir noch die Fenster abdichten, einen schweren Vorhang für die Tür."
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