1965 bis 1975 - Stichworte zu einem Jahrzehnt der Veränderung (2) |
||||
2.
Wandel der Gesellschaft
Mit Beginn der 60er Jahre (eingeleitet schon davor) fand weltweit ein Wandel der Gesellschaft statt. Die Kriegsgeschichte seit 1945 war, abgesehen von Portugal, Frankreich, Belgien und Großbritannien, weitgehend US-Geschichte: Korea-Krieg, Kuba-Krise, Vietnam-Krieg. Die Bevölkerungen begannen gegen die Politik ihrer Staaten zu demonstrieren. Die Gesellschaft veränderte sich in eine Konsumgesellschaft. Es entwickelten sich autogerechte Städte mit exponentiell steigenden Verkehrsaufkommen, der damit einher gehenden Zerstörung der historischen Innenstädte, neuen Geschäfts- und Verwaltungsbauten in den Zentren, Industriegebieten an der Peripherie, der Installation der Grünen Wiese, der Umgehungsstraßen, dem Sterben des Öffentlichen Nahverkehrs und des Schienentransportwesens, der Parkhäuser, Hochhäuser auch in den Kleinstädten, der Fußgängerzonen, dem Wirtschaftswachstum, der Besiedlung der Außenbezirke. Die Städte veränderten sich radikal: Herford war nach dem Krieg in größeren Teilen zerstört. Der allmähliche Wiederaufbau in den 50er und 60er Jahren paarte sich wie fast überall in Deutschland im Zuge der verkehrsfreundlichen Stadtgestaltung mit der Zerstörung alter Stadtviertel wie der Bergertormauer, der Johannisstraße, der Berliner Straße, der Lübberstraße der Credenstraße, Altem und Neuem Markt, Gänsemarkt, Steintor und dem Gehrenberg. In der Folgezeit wurden in Herford vor dem Hintergrund des Wirtschaftswunders und der damit verbundenen Bautätigkeit weitere historische Fundamente erschüttert. Vorher schon, Anfang der 60er Jahre, wurde die Straßenbahnlinie in Herford eingestellt. Dem stetig steigenden Verkehrsaufkommen entsprach die rege Zunahme an Straßenführungen. Der Eingriff in die historische Bausubstanz und den historischen Grundriss der Stadt glich einem Raubbau.
3. Exkurs: Kunst und Kultur Im Jahr 1968 hatten zahlreiche Ereignisse weltweit zu einer außerordentlichen Dramatik des internationalen Geschehens geführt. Dabei kam der Studentenbewegung in den Metropolen eine besondere Bedeutung für diese Ereignisse zu. Insbesondere die von der Studentenbewegung initiierte Bildungsreform gehörte weltweit zu den wichtigsten Katalysatoren für die Beschleunigung des gesellschaftlichen Wandels. Die Zeit um 1968 löste bei vielen Menschen einen Kulturschock aus. Die Konzerte der Beatles in Deutschland 1966, der Rolling Stones 1965 und 1970 fanden in der jungen Generation so begeisterte Anhänger wie sie von den Älteren rigoros abgelehnt wurden. Bob Dylans "Like a Rolling Stone" (1965) und sein legendärer Auftritt mit Band 1965 in England (elektrisch verstärkt im zweiten Teil des Konzertes) sorgte für großes Aufsehen. In Deutschland gab es die Geburt der politischen Liedermacher mit Franz Josef Degenhard und Dieter Süverkrüp. Es veränderte sich die Ästhetik von Kunst und Alltag. Die Pop Art begann sich durchzusetzen. Die Mode erhielt neue Zentren in Haight Ashbury in San Francisco und der Carnaby Street in London. Es gab Plastikbekleidung, Plastikmöbel, Plastikgeschirr, Flower Power, psychedelische Plattencovergestaltungen, Drogen. Die Bedeutung der Medien, vor allem des Fernsehens, für die 68er Bewegung war außerordentlich groß. Nichts auf der Welt konnte mehr ohne Kamerabegleitung und Veröffentlichung weltweit stattfinden. Auf dem Gebiet der Literatur und Philosophie dieser Zeit waren Samuel Beckett, Pablo Neruda, die Konkrete Poesie in Deutschland, die Werke von Walter Benjamin, Hans-Magnus Enzensberger, Herbert Marcuse, Sigmund Freud, Wilhelm Reich, Erich Fromm, Günter Grass, Heinrich Böll, Uwe Johnson, Paul Celan, Jean Paul Sartre, Jürgen Habermas, Theodor Adorno, Max Horkheimer, Wolfgang Abendroth die Lektüre der 68er -Bewegung. Die entscheidenden Experimente und Erfahrungen auf dem Gebiet der Kunst fanden in den 60er Jahren außerhalb des Museums statt. Künstlerische Radikalität suchte sich außerhalb der Institutionen zu verwirklichen: in Möbelhäusern (Richter, Fischer-Lueg), Warenhäusern (Serra), Zivilschutzbunkern (Beuys), Kellern, Armenhäusern, Wohnungen (Broodthaers), die Aktionskünstler der Wiener Szene schockierten, die Fluxusbewegung schaffte sogenannte Multiples, Valie Export erregte Aufsehen mit ihrem "Tap- und Tast-Kino". Kunstwerke wurden zurück ins Alltägliche geführt, auf die Ebene der Massenproduktionen. Es gab einen sogenannten Crossover von Hoher und Alltagskultur. Joseph Beuys gründete die Deutsche Studentenpartei. Gebrauchsgegenstände wurden in der Kunst von Rauschenbergs "Combine Paintings" eingeführt": Kunst und Leben sollten miteinander verbunden werden; der Besucher sollte das Kunstwerk verändern. Die Pop Art von Warhol und Rauschenberg sollte die Grenzen von Alltag und Kunst überwinden. Diese Gegensatzpaare spielten auch in der Jugendkultur der 60er/70er Jahre eine wichtige Rolle. Die Jugendlichen reklamierten für sich das Individuelle/Authentische/Aktive und bewegten sich sozusagen im Spannungsfeld der angeführten Begriffspaare. Pop Art war die erste Bewegung, die diesen Prozess thematisierte. Sie beschäftigt sich in ihren Arbeiten mit den Grenzen zwischen Bildern und Objekten in der Kunst und den Bildern und Objekten in der kommerziellen Warenwelt (Campbell-Suppendosen, Coca-Cola-Flaschen). Pop Art kritisierte das traditionelle Kunstverständnis, die Vorstellung von der Integrität von "hoher Kunst". Pop Art stand für Beat- und Rockmusik, Plakatkunst, Blumenkinderkult, Jugendkultur. Pop Art galt als
Synonym für den neuen Lebensstil einer Jugend, die gegen die restaurative
Kultur der Konservativen und repressiven 60er Jahre aufbegehrte wie
die englische und amerikanische Beatmusik und die Außerparlamentarische
Opposition in der ganzen Welt.
|
Neuer Markt |
|||
Treffen auf Friedhof |
||||
Feuer im Stuckenberg |
||||
Neuer Markt
|
||||